Die sechs häufigsten Gründe für schlechte Leistung in Call Centern
... und warum Training selten die richtige Antwort darauf ist. (Teil 2/2)
Nach schlechter Laune, innerem Druck und allgemeiner Verärgerung sorgen fachliche Unsicherheit, kommunikative Eigenarten und fehlende Identifikation mit der Tätigkeit für Minderleistung im Kundenservice und im Verkauf. Herkömmliche Personalentwicklungsmaßnahmen können hier in Einzelfällen zielführend sein. Trotzdem lohnt sich die Differenzierung der Vorgehensweisen. Allem voran dahingehend, dass man gezielt die Gründe für Minderleistung angeht und mit den Agents einzeln trainiert.

4. fachliche Unsicherheit
Kaum ein Produkt und kaum eine Dienstleistung ist einfach. Allein die Aufgabe, dass Agents den Kundennutzen fokussiert argumentieren sollten, bedarf einer soliden fachlichen Grundlage, die die Übersetzung zum individuellen Kundennutzen ermöglicht. Der Handy-Tarif mit 20 GB Datenvolumen klingt nur solange spannend, wie die Download-Geschwindigkeit das ununterbrochene Streamen von Videos ermöglicht. Ganz zu schweigen von schwacher Netzabdeckung in ländlichen Gegenden, die sämtliche Zahlen, Daten und Fakten zum neuen Tarif relativiert. Der Tarif mit 20 GB Datenvolumen wird dem Kunden zum Vorteilspreis solange angeboten, wie er nicht nach der Netzabdeckung in seiner Heimat fragt. In dem Fall braucht der Agent nämlich ein Tool, mit dem er konkret nachschauen kann. Dieses Tool gibt es aber nicht im CRM und so müsste im Rahmen der Beratung ein weiteres Computersystem genutzt werden, das selten Teil der Einarbeitung ist.
Dann geht es an die Zubuchung von Produkten und Dienstleistungen: Datenpakete, Familientarife, ein neues Handy samt Versicherung. In einigen Fällen mag das ein Klick oder ein Häkchen im System sein. In anderen Fällen öffnet sich ein neues Fenster oder gar eine neue Ansichtsmaske oder... wieder ein neues System, mit dem sich der Mitarbeiter auskennen sollte.
Nun stellt der Kunde aber Fragen zum neuen Handy und er möchte selbstverständlich auch wissen, welche Versicherungsleistungen enthalten sind. Die gerade geöffnete Maske gibt jedoch ggf. keine Auskunft dazu. Solche Informationen sind häufig an verschiedenen Stellen hinterlegt und so sucht der Agent erst einmal, wo er die Information überhaupt finden kann, um dann nach gezielten Antworten auf die Fragen des Kunden zu suchen.
... oder er sucht eben nicht.
Wird die Arbeit umständlich und komplex, ist fachliche Sicherheit notwendig, um Lösungsorientierung zu gewährleisten. Systemkenntnisse, Prozesskenntnisse, Produktkenntnisse, Dienstleistungsmerkmale, Zuständigkeiten, Handlungsrahmen, Kulanzregelungen, Kontaktmöglichkeiten, Selbshilfemöglichkeiten, Ansprechpartner...
Auch bei umfangreicher Einarbeitung mit sämtlichen Tools, die in komplexen Beratungsfällen helfen können ist noch nicht gewährleistet, dass jeder Agent sicher damit umgehen kann oder sich im Umgang damit sicher fühlt.
Was kann man tun?
"Ich weiß nicht, wie ich das machen soll." geht Mitarbeitern nicht immer leicht über die Lippen. "Das haben wir dir doch erklärt." wird von Führungskräften jedoch schnell mal geäußert.
Finden Sie Antworten auf die Frage: Wie kann ich gewährleisten, dass meine Erwartungen an die fachlichen Fähigkeiten meiner Mitarbeiter realistisch sind?
Erklärt ist nicht gezeigt. Gezeigt ist nicht verstanden. Verstanden ist nicht verinnerlicht. Verinnerlicht ist nicht angewendet und so ergibt sich eine längere Verkettung von Ausstiegsmöglichkeiten für den Mitarbeiter, ab wann er ein Produkt, ein Zusatzprodukt oder eine Dienstleistung schlicht nicht (mehr) anbietet.
Fachwissen sollte nicht nur umfangreich geschult und trainiert werden. Es sollte geprüft werden. Der Aufbau von Fachkompetenz sollte begleitet und unterstützt werden. Dahingehend gehört dieser Aufbau auch gar nicht nur in die Einarbeitung, sondern als integraler Bestandteil in den Arbeitsalltag.
5. kommunikative Eigenarten
Vom Nuscheln über Unverbindlichkeit, fehlerhafte Grammatik, devotes Verhalten, dominantes Verhalten, ungünstig wirkende (Auf-)Forderungen, lange Gesprächspausen, stimmliche Monotonie, inhaltlich sinnfremde Füllwörter bis hin zur Anrede in ungefragtem "wir" oder der noch immer (selten) vorkommenden Anrede des Kunden in 3. Person Einzahl ("er")... einige Agents stellen dem Kunden keine Fragen. Sie fordern Information ein: "Sagen Sie mir mal Ihre Kundennummer." (vs. "Wie lautet Ihre Kundennummer?")
"Na, ich müsste da jetzt erstmal nachschauen. Das ist ja, wie gesagt, eigentlich gar nicht Teil des Produkts. Dann müssen Sie mir erstmal sagen, wo Sie das gelesen haben. Weil, also, ich hab da... wie gesagt... jetzt hier auch nur unrelevante Information diesbezüglich."
Kurz tief durchatmen und entscheiden: "Danke. Tschüss." oder: "Schauen Sie doch gern mal nach."
Unser 'blinder Fleck' lässt uns Dinge tun und sagen, die wir so bewusst gar nicht wahrnehmen und zumindest nicht bewusst prüfen oder hinterfragen. So werden im Kundenumgang Dinge gesagt, die kumuliert wirklich ungünstig wirken, die der Agent aber überhaupt nicht so gemeint hat.
Was kann man tun?
Für solche Szenarien kommen 'klassische' Personalentwicklungsmaßnahmen ins Spiel. Kommunikations- und Verkaufs-Trainings sind inhaltlich darauf ausgerichtet, kommunikative und speziell rhetorische Fähigkeiten zu entwickeln. ABER: Sitzen Mitarbeiter mit ihrem blinden Fleck zwangsaufgereiht in der Schulung, verknüpft sich vermitteltes Wissen nicht mit dem individuellen Potenzial jedes einzelnen Agents. Selten treten ja alle kommunikativen Eigenarten kumuliert bei einer Person auf. Und wenn, wäre die Person sehr wahrscheinlich nicht länger als einen Tag an der Line.
Individuelle Entwicklungsmaßnahmen sind also von Nöten. Die Beziehungsebene zwischen Führungskraft und Mitarbeiter muss stark genug sein, dass der blinde Fleck des Mitarbeiters offen angesprochen werden kann, ohne die persönliche Instanz anzugreifen.
Mit einer konkreten Verknüpfung der bisher nicht erreichten Sollzahlen kann die identifizierte Kausalität als Chance für persönliches Wachstum gegeben werden, sodass der Agent bestenfalls selbstreflektiert erkennt, was er an seinem Kommunikationsverhalten verbessern kann.
6. fehlende Identifikation mit der Tätigkeit
Wer selbst nicht überzeugt ist, kann nicht überzeugen. So abgedroschen, so wahr. Kundenservice und speziell Verkauf sind dienende Tätigkeiten. Von Auskunft über Hilfestellung und Lösungsfindung bis zu Empfehlungen und Unterstützung bei Entscheidungen - die Aufgabe des Agents ist es, dem Kunden zur Seite zu stehen und ihm bei seinem Anliegen zu helfen.
Das können manche Menschen nicht. Manche wollen das wahrscheinlich auch ganz einfach nicht können.
Unserer Erfahrung nach wollen etwa 10% der Agents ihren Job gar nicht wirklich ausüben und sie sind nur da, weil sie immerhin einen Job haben und größere Veränderungen noch unbequemer sind, als sich dem regelmäßigen side-by-side-Training auszusetzen. Das Schulterzucken gehört dann ebenso zum Job dazu, wie die persönliche Einstellung, dass man den Anforderungen eh nicht gerecht werden kann.
Was kann man tun?
Prüfen Sie die persönliche Einstellung des Mitarbeiters! Fragen Sie konkret nach, ob sich der jeweilige Mitarbeiter der Aufgabe insgesamt gewachsen sieht und lassen Sie ihn explizit äußern, ob ja oder nein.
Mit der expliziten Aussage gegenüber Vorgesetzten, dass er sich nicht mit der Tätigkeit identifiziert, weiß auch der Mitarbeiter, dass er sich vom Team und vom Unternehmen nicht länger aushalten lassen kann. Bestenfalls forciert die Führungskraft diese neu gewonnene Gewissheit mit deutlichen Äußerungen: "Unsere Kunden erwarten und verdienen hervorragende Beratung. Wir können uns als Unternehmen nicht erlauben, diese Erwartungen nicht zu erfüllen und jeder einzelne Mitarbeiter trägt dazu bei, dass sie erfüllt werden. Auch Du/Sie."
Damit - und auch in dem Fall, in dem der Mitarbeiter explizit sagt, dass er sich mit der Tätigkeit identifziert - ist der Grundstein für eine wichtige Entscheidung gelegt. Ab dann entscheidet der Agent nämlich selbst, ob er in seinem Trott bleiben möchte, oder ob er sich am Geben und Nehmen des Berufsalltags beteiligen möchte. Dieser Gabelweg kann nun mit dem Mitarbeiter terminiert werden: Bis wann erwartet man von ihm welche konkreten Veränderungen? Was kann man ihm bei Erreichen der Ziele in Aussicht stellen? Welche Konsequenzen kommen auf den Mitarbeiter und auf das Unternehmen zu, wenn die Ziele nicht erreicht werden?
Bestenfalls bietet die Führungskraft Unterstützung an und lässt den Agent entscheiden, ob er sie in Anspruch nehmen möchte, oder eben nicht. Das hat mehrere Vorteile: Wünscht er Unterstützung, verpuffen Entwicklungsmaßnahmen (z.B. side-by-side) nicht mehr, weil der Agent sich selbst entschieden hat, sie in Anspruch zu nehmen. Zeigen die Maßnahmen wenig Wirkung, kann der Mitarbeiter in die konkrete Lösungsfindung eingebunden werden. Wünscht er keine Unterstützung und erreicht die Ziele, zeigt er, wozu er eigentlich in der Lage ist. Das kann lobend hervorgehoben werden und die Erwartungen an die Leistung des Mitarbeiters können angepasst werden. Wünscht er keine Unterstützung und erreicht die Ziele nicht, sind die vereinbarten Konsequenzen leichter hinzunehmen bzw. tragen Erklärungen das Kleid der Ausreden.
Personalentwicklungsmaßnahmen wirken häufig am Arbeitsalltag entlang oder gar vorbei. Selten wirken sie kausal als Zündfunke für Entwicklung, wobei auch dieses Wort hinsichtlich Entwicklung zur Zielerreichung (Aufgabenerfüllung) und beruflicher Weiterentwicklung zu differenzieren ist. Betrachtet man die Gründe für Minderleistung, wird umso deutlicher, wie häufig PE-Maßnahmen um ihres Willen durchgeführt werden und deren Ergebnisse in Hoffnungswolken lungern.
Machen Sie es konkreter! Gehen Sie die Gründe an. Trauen Sie sich zu individueller Führung, zu bedarfsgerechten Entwicklungsmaßnahmen, zu situativ angepassten Lösungen mit konkret erwartbaren Ergebnissen.
Schauen Sie sich dazu an, was wir mit unserem Personalentwicklungsmodell und Führungs-Tool STAGES erreichen konnten und fragen Sie gern nach, ob und wie das zu Ihrem Unternehmen passt.